Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Die Qualität einer Radtour bemisst sich nicht in Kilometern, sondern in der Qualität des Erlebten – und Sie haben die Regie.

  • Bewusste Routenplanung ist ein kreativer Akt der Dramaturgie, kein rein logistischer Prozess.
  • Die Wahl des Routentyps (z.B. Fluss vs. Bahntrasse) bestimmt den narrativen Rhythmus Ihrer Tour.
  • Strategische Planung schafft den mentalen Freiraum, der spontane Entdeckungen und echte Abenteuer erst ermöglicht.

Empfehlung: Betrachten Sie Ihre nächste Tourenplanung als Drehbuch. Definieren Sie ein Thema, planen Sie Höhepunkte und Ruhephasen und wählen Sie Ihre „Kulissen“ bewusst aus, um eine unvergessliche Geschichte zu erleben.

Die meisten Radtouren beginnen mit einer einfachen Frage: Wie komme ich von A nach B? Man zückt das Smartphone, lässt eine App die schnellste oder kürzeste Verbindung berechnen und folgt dann einer digitalen Linie. Das ist praktisch, effizient und oft erstaunlich ereignislos. Man sammelt Kilometer, aber selten unvergessliche Momente. Die Planung wird zu einer rein logistischen Aufgabe degradiert, deren Ziel es ist, eine Distanz zu überwinden, anstatt einen Raum zu erfahren.

Doch was wäre, wenn wir diesen Prozess grundlegend anders angehen? Was, wenn die Routenplanung weniger mit Navigation und mehr mit Dramaturgie zu tun hätte? Stellen Sie sich vor, Sie sind nicht nur Radfahrer, sondern der Regisseur Ihrer eigenen Reise. Jede Wegbiegung ist eine neue Szene, jede Landschaft ein bewusst gewähltes Bühnenbild und jede Pause ein dramaturgischer Kniff. Bei diesem Ansatz geht es nicht darum, den schönsten Radweg Deutschlands zu finden, sondern darum, den für Sie persönlich perfektesten zu erschaffen.

Die wahre Kunst liegt darin, die Route als ein Drehbuch zu begreifen, das eine emotionale Reise inszeniert. Es geht darum, einen Spannungsbogen zu kreieren, der auf einen spektakulären Aussichtspunkt hinführt, einen bewussten Kulissenwechsel vom dichten Wald zur weiten Feldlandschaft zu inszenieren oder einen thematischen „roten Faden“ zu spinnen, der kulinarische Entdeckungen mit kulturellen Highlights verbindet. Dieser Perspektivwechsel verwandelt eine einfache Fahrt in ein kuratiertes Erlebnis.

Dieser Artikel ist Ihr Leitfaden für die Kunst der Routen-Dramaturgie. Er zeigt Ihnen, wie Sie die Elemente einer Tour – von der Art des Weges über Sicherheitsaspekte bis hin zu verborgenen Schätzen – wie ein Regisseur einsetzen, um aus jedem Ausflug ein kleines Meisterwerk zu machen.

Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zur meisterhaften Routenplanung

Flussradweg oder Bahntrasse: Welcher Routen-Charakter passt am besten zu Ihnen?

Jeder Film hat ein bestimmtes Genre und einen Rhythmus. Eine langsame, nachdenkliche Erzählung fühlt sich anders an als ein rasanter Actionfilm. Genauso ist es bei Radtouren. Die erste Entscheidung des Regisseurs betrifft den grundlegenden Charakter Ihrer Reise. Wünschen Sie sich eine meditative, fließende Bewegung oder eine abwechslungsreiche Tour mit industriegeschichtlichen Höhepunkten? Die Wahl zwischen Routentypen wie Flussradwegen, Bahntrassen oder Kanalwegen legt den narrativen Rhythmus Ihrer gesamten Tour fest.

Flussradwege, wie der Elberadweg oder der Moselradweg, sind die „Arthouse-Filme“ unter den Touren. Sie folgen einer natürlichen Leitlinie – dem Wasser. Die Navigation ist intuitiv, die Steigungen sind sanft und die Landschaft entfaltet sich in einer kontinuierlichen, fast meditativen Abfolge. Sie sind ideal für Genussradler und Familien, die den Weg als Ziel sehen und in die Natur eintauchen möchten. Bahntrassenradwege hingegen erzählen eine Geschichte von Technik und Fortschritt. Auf ehemaligen Schienenwegen wie dem Vennbahnweg radeln Sie durch Tunnel und über imposante Viadukte. Die Steigung ist durch das technische Erbe auf maximal 3 % begrenzt, was sie auch für E-Bike-Fahrer und Geschichtsinteressierte attraktiv macht. Der Rhythmus ist hier von menschgemachten Strukturen und deren Entdeckung geprägt. Eine dritte, oft unterschätzte Option sind Kanalwege. Sie bieten ein absolut flaches Profil und eine einzigartige, ruhige Atmosphäre, begleitet vom langsamen Gleiten der Binnenschiffe – perfekt für Einsteiger oder Langstreckenfahrer auf der Suche nach meditativer Ruhe.

Die Auswahl des passenden Routentyps ist somit keine technische, sondern eine emotionale Entscheidung. Fragen Sie sich: Welche Art von Geschichte will ich heute erleben?

Der folgende Überblick fasst die Charakteristika der drei Hauptroutentypen in Deutschland zusammen, um Ihnen die Wahl der perfekten „Kulisse“ für Ihre nächste Tour zu erleichtern.

Vergleich der drei Hauptroutentypen in Deutschland
Routentyp Charakteristik Beste Beispiele Ideale Zielgruppe
Flussradweg Meditative Kontinuität, natürliche Navigation, sanfte Steigungen Elberadweg, Weserradweg, Moselradweg Genussradler, Familien, Naturliebhaber
Bahntrasse Technisches Erbe, konstante Steigung max. 3%, Tunnel & Viadukte Vennbahnweg, Kocher-Jagst-Radweg Geschichtsinteressierte, E-Bike-Fahrer
Kanalweg Absolut flaches Profil, Schifffahrt-Erlebnis, ruhige Atmosphäre Dortmund-Ems-Kanal, Nord-Ostsee-Kanal Einsteiger, Langstreckenfahrer, Ruhe-Suchende

Nicht jede schöne Route ist eine gute Route: Warum Sicherheit vor Panorama gehen muss

Ein Regisseur mag eine atemberaubende Kulisse gefunden haben, doch wenn der Drehort unsicher ist, gefährdet er sein gesamtes Team. Ähnlich verhält es sich bei der Routenplanung. Das schönste Panorama ist wertlos, wenn der Weg dorthin über eine stark befahrene Straße ohne Radweg führt oder die Navigation so komplex ist, dass die Aufmerksamkeit vom Verkehr abgelenkt wird. Sicherheit ist das Fundament, auf dem ein großartiges Erlebnis erst aufbauen kann. Leider zeigt eine aktuelle Statistik, dass sich nur noch 60% der Radfahrer in Deutschland im Straßenverkehr sicher fühlen, ein deutlicher Rückgang, der die Wichtigkeit einer sicheren Routenführung unterstreicht.

Ein oft übersehener Aspekt der Sicherheit ist die digitale Erreichbarkeit. Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 warnt eindringlich vor kritischen Mobilfunklücken in beliebten Radregionen wie der Eifel und dem Schwarzwald. Die Studie hebt hervor, dass beispielsweise in Brandenburg auf 30 % der Waldwege keine stabile Mobilfunkabdeckung existiert. Im Falle einer Panne oder eines Unfalls kann dies die Alarmierung von Rettungskräften erheblich verzögern oder unmöglich machen. Als Regisseur Ihrer Tour müssen Sie auch das „Worst-Case-Szenario“ im Drehbuch berücksichtigen. Das bedeutet: Prüfen Sie vorab die Netzabdeckung in abgelegenen Gebieten und speichern Sie offizielle Rettungspunkte mit deren GPS-Koordinaten in Ihrer Routen-App.

Eine gute Route balanciert daher landschaftliche Schönheit mit einfacher Orientierung und einem hohen Maß an Sicherheit. Bevorzugen Sie separate Radwege, verkehrsarme Nebenstraßen und gut ausgeschilderte Themenrouten. Manchmal ist der kleine Umweg über einen asphaltierten Wirtschaftsweg die klügere Wahl als die direkte, aber gefährliche Abkürzung entlang der Bundesstraße. Ein guter Regisseur opfert niemals die Sicherheit für einen spektakulären, aber riskanten „Shot“.

Das Abenteuer in Ihrem Hinterhof: Wie Sie die besten Routen in Ihrer eigenen Region entdecken

Man muss nicht nach Neuseeland reisen, um epische Landschaften zu finden. Oft liegen die spannendsten „Drehorte“ direkt vor der eigenen Haustür – man muss nur lernen, sie zu sehen. Die Kunst der Routen-Dramaturgie besteht auch darin, das Vertraute mit neuen Augen zu betrachten und das Abenteuer im Alltäglichen zu entdecken. Statt immer den gleichen bekannten Wegen zu folgen, können Sie zum Detektiv Ihrer eigenen Heimat werden und verborgene Pfade und vergessene Geschichten aufspüren.

Ein kreativer Ansatz hierfür ist die „umgekehrte Themenkarten-Technik“. Statt eine fertige Route auszuwählen, definieren Sie zuerst ein faszinierendes Thema – zum Beispiel „Bauhaus-Architektur im Umland“, „Lokale Hexenmythen“ oder „Spuren der Industriekultur“. Anschließend beginnt die Recherche: Durchforsten Sie regionale Literatur, die Webseiten von Heimatvereinen oder sogar öffentliche Denkmallisten der Bundesländer. Sie werden überrascht sein, wie viele Sühnekreuze, historische Grenzsteine oder als Naturdenkmal ausgewiesene Bäume nur wenige Kilometer entfernt auf ihre Entdeckung warten. Verbinden Sie diese Punkte dann zu einer Route. Nutzen Sie dafür nicht nur moderne Apps, sondern auch historische Messtischblätter oder topografische Karten, um alte, vergessene Wege zwischen Ihren Zielen zu finden.

Diese Art der Planung ist wie die Arbeit eines Location Scouts, der nach authentischen und unverbrauchten Drehorten sucht. Der Prozess selbst wird zum Abenteuer.

Historische und moderne Karten übereinandergelegt auf einem Holztisch, auf denen mit Nadeln und Faden verborgene Orte markiert sind.

Wie die überlagerten Karten im Bild andeuten, entsteht durch die Kombination verschiedener Informationsebenen ein völlig neues, vielschichtiges Bild der eigenen Region. Setzen Sie sich kreative Grenzen, um die Planung noch spannender zu machen: „Ich plane eine Tour, die keine Bundesstraße kreuzt“ oder „Ich verbinde alle Brücken über einen bestimmten Fluss“. So wird Ihr Hinterhof zur unerschöpflichen Quelle für immer neue Geschichten.

Schlemmen und Strampeln: Wie Sie eine kulinarische oder kulturelle Themenroute planen

Ein guter Film wird nicht nur durch seine Handlung, sondern auch durch sein Thema zusammengehalten. Eine thematische Route, sei sie kulinarisch oder kulturell, verleiht Ihrer Tour einen roten Faden und eine tiefere Bedeutung. Sie radeln nicht mehr nur durch eine Landschaft, sondern folgen einer Spur – der Spur des Weins, der Braukunst oder der Dichter und Denker. Die Planung einer solchen Tour ist die Königsdisziplin der Routen-Dramaturgie, denn sie verknüpft körperliche Aktivität mit gezieltem Genuss und Wissenserwerb.

Ein exzellentes Beispiel für eine gelungene kulinarische Dramaturgie ist eine Craft-Biergarten-Tour durch Oberfranken. Mit über 200 Brauereien besitzt die Region die höchste Brauereidichte der Welt. Statt zufällig einzukehren, könnte ein „Drehbuch“ für eine Tagestour so aussehen: Start mit einem leichten Weißbier in Kulmbach, mittags eine traditionelle Brotzeit mit einem Kellerbier in Aufseß, nachmittags eine Pause bei Kaffee und fränkischem Zwetschgenkuchen, um den Gaumen zu neutralisieren, und zum großen Finale am Abend ein kräftiges Rauchbier in Bamberg. Die Route selbst wird so geplant, dass sie über verkehrsarme Nebenstraßen und Abschnitte des Main-Radwegs führt und so die sichere Verbindung zwischen den Genuss-Stationen garantiert.

Der Erfolg einer solchen Tour hängt vom richtigen Timing ab. Ein üppiges Mahl zur Mittagszeit kann die Weiterfahrt zur Qual machen. Der clevere Regisseur plant die Pausen strategisch entlang des natürlichen Biorhythmus, um Energie zu tanken, statt sie zu rauben. Die Kunst liegt darin, die kulinarischen Höhepunkte so zu platzieren, dass sie die Fahrt bereichern und nicht belasten.

Ihr Plan für die perfekte Genuss-Etappe: Die Tagesrhythmus-Checkliste

  1. Morgens (9-11 Uhr): Planen Sie einen leichten Start. Eine Bäckerei mit regionalen Spezialitäten ist ideal, um in den Tag zu kommen.
  2. Mittags (12-14 Uhr): Wählen Sie eine mittelgewichtige Mahlzeit. Ein Flammkuchen, ein großer Salat oder eine Suppe geben Kraft, ohne zu beschweren.
  3. Nachmittags (15-16 Uhr): Setzen Sie auf die strategische Kaffee-und-Kuchen-Pause. Sie liefert den nötigen Energieschub für die letzte Etappe.
  4. Spätnachmittags (17-18 Uhr): Bei langen Etappen kann ein leichter Snack wie ein Apfel oder ein Müsliriegel ein Leistungstief überbrücken.
  5. Abends (ab 19 Uhr): Das Finale! Planen Sie das üppige Mahl erst am Zielort, wenn keine weitere Fahrstrecke mehr ansteht.

Auf Nummer sicher oder das große Abenteuer: Ausgeschilderter Radweg versus eigene Route

In der Welt des Films gibt es das bewährte Hollywood-Drehbuch, das einer bekannten Formel folgt, und den experimentellen Independent-Film, der neue Wege geht. Bei der Routenplanung entspricht dies der Wahl zwischen einem perfekt ausgeschilderten Fernradweg und einer komplett selbst geplanten Route. Beides hat seine Berechtigung, doch der wahre Meister-Regisseur weiß, wann er dem Skript folgen und wann er improvisieren sollte.

Ausgeschilderte Routen wie die ADFC-Qualitätsradrouten sind das Rundum-sorglos-Paket. Sie bieten geprüfte Sicherheit, eine einfache Navigation (einfach den Schildern folgen) und eine garantierte Infrastruktur mit Unterkünften und Servicepunkten. Man kann sich voll und ganz auf das Fahren und die Landschaft konzentrieren. Der Preis dafür ist eine gewisse Vorhersehbarkeit. Das Erlebnis ist bewährt und von hoher Qualität, aber es birgt selten große Überraschungen. Eigene Routen, geplant mit GPS-Tools wie Komoot oder Outdooractive, sind das genaue Gegenteil. Sie bieten maximale Freiheit und das Potenzial für einzigartige, unvergessliche Entdeckungen. Die Verantwortung liegt jedoch komplett bei Ihnen – von der Wegqualität über die Navigation bis zur Organisation von Pausen und Übernachtungen. Dieses Abenteuer erfordert mehr Vorbereitung und eine höhere Risikobereitschaft.

Die cleverste Lösung ist oft der Hybrid-Ansatz: die Kombination aus beidem. Erfahrene Radreisende nutzen oft einen bekannten Fernradweg wie den Ostseeküsten-Radweg als „roten Faden“, planen aber bewusst kleine Erkundungsschleifen von 5 bis 15 Kilometern abseits der Hauptroute. So kann man zum Beispiel von Kühlungsborn einen Abstecher zum Bastorfer Leuchtturm ins Hinterland machen oder von Zingst aus eine Runde durch den urwüchsigen Darßer Urwald drehen. Diese Methode verbindet die Sicherheit der Beschilderung mit dem Kitzel der eigenen Entdeckung. Sie ist die „Director’s Cut“-Version der Routenplanung.

Die Entscheidung hängt letztlich von Ihrer Tagesform und Ihrem Bedürfnis nach Sicherheit oder Abenteuer ab. Der folgende Vergleich hilft Ihnen, die richtige Balance für Ihr Drehbuch zu finden.

Ausgeschilderte Routen vs. Eigene Planung – Vor- und Nachteile
Aspekt Ausgeschilderte Route Eigene Route Hybrid-Ansatz
Sicherheit Hoch – geprüfte Wege Variabel – eigene Verantwortung Grundsicherheit mit Flexibilität
Navigation Einfach – Schildern folgen Anspruchsvoll – GPS/Karte nötig Hauptroute klar, Abstecher flexibel
Infrastruktur Garantiert – Unterkünfte, Service Unsicher – eigene Recherche Basis gesichert, Alternativen möglich
Erlebnis Bewährt aber vorhersehbar Einzigartig und überraschend Balance aus Bekannt und Neu
Sozialkontakte Viele andere Radfahrer Eher einsam Wahlmöglichkeit je nach Stimmung

die Freiheit auf einem Gravel-Bike entdecken

Manchmal verlangt eine Geschichte nach einem raueren, ungeschliffeneren Schauplatz. Das Gravel-Bike ist das perfekte Werkzeug für solche „Abenteuerfilme“. Es ist konzipiert für den Zwischenraum – für Wege, die für ein Rennrad zu uneben und für ein Mountainbike zu unspektakulär sind. Es eröffnet eine völlig neue Welt an Routenmöglichkeiten und verkörpert eine Philosophie der Freiheit und des Entdeckergeistes. Mit einem Gravel-Bike wird die Unsicherheit über die Wegbeschaffenheit nicht zum Problem, sondern zum reizvollen Teil des Erlebnisses.

Deutschland bietet hierfür überraschende Kulissen. Brandenburg zum Beispiel, oft als „Streusandbüchse“ belächelt, entpuppt sich als Gravel-Paradies. Endlose Plattenwege aus DDR-Zeiten, sandige Forstwege und alte Treidelpfade entlang der Havel schaffen perfekte Bedingungen. Eine Tour kann hier zu einer Zeitreise werden, die zu verlassenen Industrieruinen oder durch die Stille der Märkischen Schweiz führt. Die Unsicherheit, ob der Weg fahrbar ist oder in einer Sackgasse endet, wird zum Motor des Abenteuers.

Die Planung einer Gravel-Tour erfordert eine andere Herangehensweise. Sie ist weniger exakt und mehr eine Haltung. Es geht darum, Unsicherheit als Chance zu akzeptieren. Planen Sie immer eine Alternative (Plan B und C). Nutzen Sie Satellitenbilder, um die Wegbeschaffenheit grob einzuschätzen, aber seien Sie bereit, von der Route abzuweichen. Eine Gravel-Tour dauert oft länger als geplant, nicht weil man langsam ist, sondern weil man hinter der nächsten Biegung einen unerwarteten Schatz entdeckt. Es ist die Kunst, Umwege und Sackgassen nicht als Fehler im Plan, sondern als Teil der Erzählung zu sehen.

Ein Gravel-Bike lehnt an einem alten Weinbergstein mit Panoramablick über eine deutsche Weinlandschaft in der Abendsonne.

Das Gefühl, auf einem Schotterweg durch die Weinberge zu gleiten, mit dem Wissen, jederzeit auf Asphalt wechseln oder einen Waldweg erkunden zu können – das ist die Essenz der Gravel-Freiheit. Es ist die Freiheit, das Drehbuch spontan umzuschreiben und der Neugier zu folgen, wohin auch immer sie einen führt.

die verborgenen Schätze entlang Ihrer Route finden

Die Magie einer wirklich großartigen Tour liegt oft nicht in den großen, bekannten Sehenswürdigkeiten, sondern in den kleinen, unerwarteten Entdeckungen am Wegesrand – den „Easter Eggs“ im Drehbuch Ihrer Reise. Ein alter Grenzstein im Wald, eine handgemalte Bank mit einer skurrilen Inschrift, eine unerwartete Begegnung mit einem lokalen Original. Diese verborgenen Schätze kann man nicht auf den Top-10-Listen der Tourismusportale finden. Man muss sie selbst aufspüren.

Der Schlüssel dazu ist die Nutzung nicht-touristischer Quellen. Statt Reiseführer zu wälzen, durchsuchen Sie die Webseiten lokaler NABU-Ortsgruppen nach versteckten Biotopen. Durchforsten Sie die Chroniken von Heimatvereinen nach Legenden und vergessenen Orten. Nutzen Sie die Geotags in den Blogs von Landschaftsfotografen, um fotogene, aber unbekannte Locations zu finden. Selbst kommunale Baumkataster können zu Quellen werden, wenn sie besonders alte Bäume als Naturdenkmäler ausweisen. Diese detektivische Arbeit führt Sie an Orte, die authentisch und unberührt sind.

Die wertvollsten Schätze sind jedoch oft nicht aus Stein oder Holz, sondern menschlicher Natur. Eine Studie des ADFC hat gezeigt, dass Radreisende, die bewusst durch kleine Ortskerne fahren statt die bequeme Umgehungsstraße zu nutzen, dreimal mehr authentische Begegnungen mit Einheimischen haben. Das kurze Gespräch mit dem Bäcker, der Tipp vom älteren Herrn auf der Parkbank, die spontane Einladung in einen Privatgarten – diese Momente machen eine Reise unvergesslich. Die bewusste Entscheidung für die Pause bei der Dorfbäckerei statt am anonymen Supermarkt erhöht die Chance auf solche Kontakte signifikant. Als Regisseur Ihrer Tour entscheiden Sie, ob Sie eine Geschichte über Landschaften oder eine Geschichte über Menschen und ihre Orte erzählen wollen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Seien Sie der Regisseur: Ihre Routenwahl ist ein kreativer Akt, der das emotionale Erlebnis Ihrer Tour bestimmt.
  • Definieren Sie den Charakter: Die Wahl des Wegtyps (Fluss, Bahntrasse, Schotter) legt den grundlegenden Rhythmus und die Atmosphäre fest.
  • Planung schafft Freiheit: Eine gute strategische Vorbereitung ist kein Korsett, sondern das Sicherheitsnetz, das spontane Abenteuer erst ermöglicht.

wie strategische Planung Ihr Raderlebnis maximiert

Am Ende fügen sich alle Elemente zusammen. Die Wahl der Kulisse, das Timing der Szenen, der thematische rote Faden und die Freiheit zur Improvisation – all das wird durch eine übergeordnete strategische Vision zusammengehalten. Eine gute Planung engt nicht ein, sondern schafft den mentalen Freiraum, um das Erlebnis voll auskosten zu können. Sie ist das unsichtbare Gerüst, das der Geschichte Halt gibt. Wie der ADFC-Bundesvorstand für Tourismus, Christian Tänzler, treffend formuliert: „Eine solide strategische Planung schafft den mentalen Freiraum, um für spontane Entdeckungen offen zu sein. Planung ist das Sicherheitsnetz, das das Abenteuer erst ermöglicht.“

Fallbeispiel: Das Routen-Drehbuch für die Mosel

Eine Familie plante ihre 5-tägige Tour entlang der Mosel wie eine TV-Serie. Jeder Tag erhielt ein eigenes Motto, das die Erwartungen steuerte und für Abwechslung sorgte. Tag 1 war der „Urbane Auftakt“ in Koblenz, Tag 2 stand unter dem Motto „Römisches Erbe“ mit dem Ziel Trier. Tag 3 war der „Weinkultur“ in Bernkastel-Kues gewidmet, inklusive Besuch bei einem Winzer. Tag 4 brachte als „Natur pur“ einen bewussten Abstecher in die Eifel, während Tag 5 mit der Reichsburg in Cochem das „Große Finale“ bildete. Die Mosel selbst war der verbindende rote Faden, aber die bewusste Planung von Höhepunkten und Ruhephasen machte die Tour für alle Familienmitglieder zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Diese Herangehensweise verwandelt die Planung von einer lästigen Pflicht in einen kreativen Akt. Sie antizipieren nicht nur den Weg, sondern auch die Gefühle, die Sie erleben möchten. Diese bewusste Auseinandersetzung mit der Tour hat auch eine immense wirtschaftliche Bedeutung, wie die ADFC-Radreiseanalyse 2024 zeigt: 37,4 Millionen Deutsche nutzten 2023 das Rad im Urlaub und gaben dabei zwischen 22 und 25 Milliarden Euro aus. Jede gut geplante Tour ist also auch ein Beitrag zur Wertschätzung und zum Erhalt der regionalen Infrastruktur.

Eine solide strategische Planung schafft den mentalen Freiraum, um für spontane Entdeckungen offen zu sein. Planung ist das Sicherheitsnetz, das das Abenteuer erst ermöglicht.

– Christian Tänzler, ADFC-Bundesvorstand für Tourismus

Wenn Sie das nächste Mal eine Radtour planen, denken Sie nicht an Kilometer und Höhenmeter. Denken Sie in Szenen, Akten und Emotionen. Werden Sie zum Regisseur. Denn die beste Geschichte ist die, die Sie selbst schreiben – und erfahren.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihre nächste Tour nicht nur zu planen, sondern zu inszenieren. Nehmen Sie die Rolle des Regisseurs an und erschaffen Sie Ihr eigenes, unvergessliches Raderlebnis.

Geschrieben von Markus Richter, Markus Richter ist ein erfahrener Radreise-Blogger und Guide, der in den letzten 12 Jahren über 40.000 Kilometer durch ganz Europa geradelt ist und unzählige Mehrtagestouren geplant hat.